Open Citizen Science: Leitbild für kuratorische Praktiken in Wissenschaftlichen Bibliotheken (Q102041565)

Unser neuer Aufsatz Open Citizen Science: Leitbild für kuratorische Praktiken in Wissenschaftlichen Bibliotheken entstand auch in Estland während meiner drei Tage in den Räumen der Unibibliothek Tartu. Auch insofern profitiert er (der Text und wir) vom Programm Fellows Freies Wissen, gefördert von Wikimedia Deutschland, Stifterverband und Volkswagenstiftung.

Bibliografische Metdaten im Wikidata-Item (Q102041565).

Linked Open Storytelling: Heimatforschung in Europa profitiert von Open Science

Die Idee Heimatforschung kontinental zu denken – zum Beispiel in europäischen Perspektiven, Vergleichen und Zusammenhängen – und davon zu erzählen liegt nicht nur geografisch nah. Geschichte trennt – Menschen, Länder, Kulturen. Und sie kann verbinden: beispielsweise Estland und Deutschland.

Europäische Integration verändert wirtschaftliche und politische Systeme. Gemeinsame Ideen und Geschichten zusammen zu denken ist eine Konsequenz von vertieften Verflechtungen – auch für bürgerwissenschaftliche landeskundliche Forschungen, mit oder ohne Herkunftsnarrative. Nicht zuletzt Prinzipien der offenen Wissenschaft (Open Science) fordern heute auch von ehrenamtlichen Heimatforscher*innen über Wissenschaftskommunikation für grenzüberschreitende Forschungsfragen nachzudenken. Denn inzwischen ermöglicht Digitale Heimatforschung auf der Grundlage digitalisierter Quellen das digitale Erzählen und Verknüpfen europäischer Geschichten:

Había una vez …
Once upon a time …
Es war einmal …

Das Fellow-Programm Freies Wissen startet gerade ins fünfte Jahr. Zeit für einen Rückblick auf die vergangenen Monate und mein Projekt More than cycling: Europäische Heimatforschung – ein Ansatz für offene Daten und Narrative, samt Fernwehforschung und Radfahrerwissen.

Aufzuzeigen dass Heimatforschung von Methoden der offenen Wissenschaft profitiert, war ein Anliegen meines Projekts. Die Perspektive dabei: Heimat – bzw. Heimatenin Europa. Dort entstanden Texte, beispielhaft eine Methodensammlung, neue Fragen und Ideen.

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Die Heimat der anderen, oder: Fragen gibt es überall

REISEBERICHT

Europa ist heute eine Antwort auf viele Herausforderungen, aber: Wie lautet die Frage? … Weiterlesen.

Võru

Zu erzählen gibt es viel mehr aus Võru. Die Strandprommenade fehlt noch auf dem Luftbild, das auf Postkarten nun ausverkauft ist in der Touristeninformation. Die Postcards of Võru published by Brück & Sohn waren für mich Anlass auch Werro zu besuchen.

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Werro, 1906, Seeufer, Brück & Sohn Kunstverlag.

Ein paar wunderbare Kaffees locken: Katarinna und Stedingu. Das vorumuuseum.ee bietet vor allem estnische und russische Bildunterschriften, trotzdem bereichend! Dort nicht gezeigt gab es in Werro auch einen Radfahrerverein 1897, vgl. Baltischer Radfahrer-Kalender. Mehr Spuren finde ich auf die Schnelle nicht. Die Geschichte der Gegend Vana-Võromaa lockt, Landschaft und Leute sowieso.

Europäisches Lampenfieber

 

Tour des LatEst:

The cycling route “Tour de LatEst” goes through two countries – Latvia and Estonia. The total length of the route is 1075 km. About a half of the road surface is asphalt and the other half – gravel. It must be taken into account that the quality of gravel roads changes depending on the weather conditions and road maintenance intensity

Conference: Documentation

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Reisevorbereitungen

Wo fängt man an? Und wann?

Eduroam funktioniert nun wieder, auf dem einen Gerät. Die mobile Schreibmaschine kommt noch zu ihrem Recht! #EduroamTravels wollen vorbereitet sein. So verstanden ist Europäische Heimatforschung ein Weg akademisch begründet von Hotspot zu Hotspot zu wandern. Auf dem Rückweg, 2018 in Stockholm, ging das gut. Und auch An der Ingenieurschule in Senftenberg hat’s funktioniert. Die BTU ist mit dem Rad nicht weit vom Bahnhof. Drum: auch Eduroam ist ein Puzzle für regionale Mobilitätsgeschichten. Weiterlesen

Fragen gibt es überall

Gestern war 1. Berliner Citizen Science Tag im Museum für Naturkunde. War gut! Hier ist ein Bericht.

Die Feststellung

Fragen gibt es überall

stammt aus dem Sommer 2018. Als der Satz veröffentlich wurde fuhr ich durch die Gegend von Kastna:

Literatur

Enn Saare : TÕRVAST BERLIINI

“Narrative entwickeln, die uns weiterführen, um ein gemeinsames Bild zu bekommen”, so Dr. Mart Laanemäe, Estnischer Botschafter in Berlin.

Geschichte geht weiter:

#EnnUndAugust fuhren 1936 nach Berlin, um die Olympischen Spiele zu erleben. Rein Mikk, Nachfahre von Enn Saare in , sammelt Wissen über diesen Ort und seine Menschen. Mit seiner Erlaubnis veröffentliche ich hier eine Kopie seines estnischen Textes über Enn Saare und seine Radeise mit August Bernhardt nach Berlin – und zurück. Zuerst die Eine deutsche Übersetzung soll folgen:

Postkarte von Enn Saare und August Bernhardt

Von Tõrva nach Berlin[1]

Enn Saar (früher Eduard Sohikael) wurde am 2.03.1912 in der Mühle von Koorküla geboren. Eltern – Hans Sohikael und Liis Pokk. Enn ging 1937 nach Tallinn, später auf die Insel Saaremaa/ Ösel.

Zwei Schüler der Sekundarstufe von Gymnasium Tõrva, zwei junge Männer, hatten sich vorgenommen, an den Olympischen Spielen in Berlin teilzunehmen. Zur Realisierung der Idee sollten Fahrräder verwendet werden. Beide mutigen jungen Männer, sowohl August Bernhardt als auch Enn Saar, waren kräftige Sportler.

Der Wille war gut, aber das für die Reise benötigte Geld reichte nicht aus. Enn Saars Elternhaus befand sich in Holdre, wo Enn in seiner Freizeit in der Sägemühle für die Reise Geld verdiente. Der Junge August aus Tõrva arbeitete im Sommer als Landarbeiter und bekam so zusätzliches Geld, aber auch das war nicht genügend. Die grösste Sorge war immer noch das Fahrrad. Enn Saar hatte sein eigenes Rad, August aber nicht. Nun war guter Rat teuer. Und sie schafften es. August Bernhardt riskierte und es ist gelungen: er wandte sich an den Geschäftsinhaber der Tallinner Fahrradfabrik mit dem Vorschlag, ihm ein Fahrrad für die Fahrt von Tõrva nach Berlin (natürlich um der Fabrik Reklame zu machen) zu leihen.

Der als erfolgreicher Geschäftsmann, wusste, wie gute Reklame er damit bekommen wird, so gab der Geschäftsmann dem jungen Mann das Fahrrad. Noch mehr; er hat den Jungen 50 Kronen als Taschengeld hinzugefügt. Nun waren die Fahrzeuge da. In Anbetracht des langen Weges und der Unvermeidlichkeit des Gepäcks wurden die Gepäckträger auch an den Vorderrädern montiert.

Hinterher lässt es sich schwer feststellen, wer auf die Idee kam, Postkarten mit der Reiseroute zu drucken. Es gibt keine Notizen über die Kosten und Auflage, aber die Karten wurden gedruckt. Wie man den beigefügten Fotokopien entnehmen kann, ist alles auf der Karte sehr korrekt. Die Postkarte war sowohl eine Visitenkarte für die Jungen als auch eine Bekanntmachung für Tõrva und Estland. Die Postkarten waren auch als Einnahmequelle, weil die Karten während der gesamten Reise zu vereinbarten Preis verkauft wurden. Bemerkenswert ist das gute technische und drucktechnische Niveau der Karten. Sie wurden in der damaligen Druckerei Ramberg in Tõrva gedruckt. Der Käufer erhielt ein Foto der Jungen, den Zweck der Reise und die Hauptroute, und es wurde auch bekannt, dass es so einen Platz auf der Erdkugel gibt, wie eine Kleinstadt Tõrva.

Das Gebäude des Gymnasium von Tõrva auf der Rückseite der Karte befindet sich am selben Ort wie das Gymnasium heute. Die Jungen haben wahrscheinlich auch ihre Deutschkenntnisse erweitert, sonst wäre es schwer gewesen, mit der Reise fertig zu werden, aber die Tatsache bleibt bestehen, das Rennen verwirklicht wurde. Leider kennen wir nicht alle Details der Reise, kennen nicht die Prüfungen und Abenteuer, die die Jungen  erlebt haben, aber sicher ist sicher, dass sie würdevolle Söhne Estlands waren.

Lass uns auf den heutigen Tag kommen! Würden unsere Eltern den Jungen in diesem Alter erlauben, so etwas zu tun? Den Jungen durch mehrere Länder und mit unzureichenden Sprachkenntnissen diese Fahrt möglich zu tun, das war von den Eltern auch eine mutige Tat. Und wie funktionierten die Zollformalitäten und Währungsprobleme?

In Berlin wurden die Jungen gut aufgenommen. Nachdem sie die Olympischen Spielen miterlebt hatten, wurden die Jungen, jetzt auf Kosten und mit Briefen der Olympiaorganisatoren, durch Dänemark und Schweden nach Hause geschickt. Der Ring durch halb Europa und den Spass an der Schiffreise noch dazu! Was für ein Abenteuer und ein Erlebnis für junge Männer, und welch ein Beispiel für jüngere Mitschüler! Schauen Sie sich die zuversichtlichen Gesichter dieser jungen Männer an, sie waren die Söhne einer freien Nation aus einem freien Land. Ich weiss nicht, wie die Rückkehrer von den Einwohnern von Tõrva empfangen wurden, aber sie hatten auf jeden Fall einen festlichen Empfang verdient.

Das mutige Abenteuer der Jungen war Erfolg gewesen. August Bernhardt kehrte, wie versprochen, von der glücklichen Reise zurück und brachte das Fahrrad dem Kaufmann zurück. Ein Geschäftsmann ist kein Geschäftsmann, wenn er eine solche günstige  Werbemöglichkeit nicht benutzt. Auf Wunsch des Unternehmers erstellte August Bernhardt einen Reiseplan, der mit dem von den Olympischen Spielen zurückgekommenen Fahrrad  auf Schaufenster präsentiert wurde. Keine bessere Reklame könnte man nicht ausdenken. Den Sieg feierten: der Geschäftsmann, der Sport, die Jungen und die gesamte estnische Nation. Schliesslich hatte August Bernhardt noch die Möglichkeit, das angenehmste Fahrrad aus dem Laden für sich selbst auszuwählen. Der junge Mann war natürlich froh, das zu tun.

Wo sind sie jetzt, diese jungen unternehmungslustigen Kerle aus Tõrva? Enn Saare lebt nicht mehr. August Bernhardt hat das Schicksal nach Kanada gebracht.

Es wurde das Jahr 1936 geschrieben.

Die kleine Estnische Republik hat sich bei den OS in Berlin noch anders in die Weltgeschichte geschrieben. Bei OS hat bisher noch kein Athlet Goldmedaillen sowohl im klassischen als auch im Freiringen gewonnen. Der Este Kristjan Palusalu kehrte mit zwei Goldmedaillen zurück und wurde ein Nationalheld. Andere Bereiche waren ebenfalls erfolgreich. Insgesamt erhielt die Republik Estland 7! Medaillen bei den Berliner OS. Estland war damals das 14. Land der Welt für Medaillen. Das letzte Mal spielte die Republik Estland mit einer unabhängigen Mannschaft bei den Olympischen Spielen. Estland hatte dann noch ein eigenes Olympisches Komitee. Der Krieg begann und eine tödliche Wende kam. (Danach nannte dieses kleine Land für 50 Jahre – Sowjetestland. Jetzt ist Estland wieder freies Land.)

Rein Mikk

Zusatz: Das Rennen wurde am 23. Juli 1936 in Valga gestartet. Es dauerte 12 Tage bis Berlin. August Bernhardt war Schüler des  Gymnasium Tõrva und Enn Saar der Schüler der Landwirtschaftlichen Schule bei Tõrva. New Estonia 25.07.1936; Bild aus der Fotosammlung von Jüri Villemson.

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Weite Wanderungen in den Ostseeprovinzen

Daß ich nichts mit Bitterkeit, und nur im Ganzen wenig getadelt habe, möge man mir eben so verzeihen. Erstlich liebe ich die milzsüchtigen Reisebeschreibungen nicht, deren Verfasser wie Epidemien im Lande herum grassiren, um alle Krankheitsstoffe an sich zu ziehen, und zweytens fühle ich mich auch nicht berechtigt, Mängel zu rügen, die es vielleicht bey näherer Prüfung nicht sind. Wo Etwas auffallenden Tadel verdiente, glaube ich ihn mit Bescheidenheit, zuweilen scherzend und zuweilen im Ernst geäußert zu haben

… bemerkte Ulrich von Schlippenbach 1809 am Anfang seiner Malerischen Wanderungen durch Kurland, die gerade in Wikisource digital verOCRbessert werden. Jahrzehnte später – noch im selben Jahrhundert – wanderte Edgar Baumann Im Gottesländchen und hinterließ uns Aufzeichnungen eines wanderfrohen Studenten aus dem Jahre 1893 durch

das frühere Herzogtum, jetzige Gouvernement Kurland.

Die Gartenlaube erzählte – heute digitalisiert an gleicher Stelle – Bilder von der Ostseeküste mit Abbildungen von Robert Aßmus:

Teil 2 führt nach Livland, Teil 3 nach Kurland. Einige andere Texte – mit Kirchenkrügen oder über den Külloströmling – gibt es dort noch: Skizzen und Naturbilder aus Mittel- und Südliefland. Allesamt – nach und nach – lesenwert, mit dieser Musik im Kopf.

Das Tourenbuch von Estland in den Beinen spricht heute also noch viel mehr für weitere Wanderungen in den Ostseeprovinzen.